Warum übernehmen Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung?

Warum übernehmen Unternehmen gesellschaftliche Verantwortung?

Einband:
Paperback
EAN:
9783593381879
Untertitel:
Ein soziologischer Erklärungsversuch
Genre:
Arbeits-, Wirtschafts- & Industriesoziologie
Autor:
Stefanie Hiß
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Aufl. 11.2006
Anzahl Seiten:
340
Erscheinungsdatum:
30.11.2006
ISBN:
978-3-593-38187-9

Unternehmensverantwortung - ein Mythos?

Warum übernehmen multinationale Unternehmen freiwillig gesellschaftliche Verantwortung? »Marktlogische« Ansätze beantworten diese Frage damit, es sei der Rentabilität von Unternehmen förderlich, andere unterstellen den Unternehmen eine generelle ethische Verpflichtung. Stefanie Hiß sieht die Ursache dagegen in einem durch den gesellschaftlichen Erwartungsdruck erzeugten Zwang, den sie am Beispiel eines Projekts aus dem deutschen Einzelhandel verdeutlicht.

Autorentext
Stefanie Hiß, Dr. rer. pol., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln.

Leseprobe
1 Einleitung Die Zähmung des Monsters, so titelte Der Spiegel 1 in seiner Serie über den grenzenlosen Kapitalismus und fragte, wie das mögliche Zukunftsszenario einer von wenigen Konzernen beherrschten Welt abgewendet werden könnte. Dabei sind schlechte Arbeitsbedingungen in der Zulieferkette multinationaler Unternehmen einer der Aspekte, die im öffentlichen Diskurs als Anzeichen unternehmerischer Macht interpretiert werden. Auf der anderen Seite findet sich immer öfter der öffentliche Appell an die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, an ihre Corporate Social Responsibility (CSR). Ein gern bemühtes Gegensatzpaar thematisiert die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen zwischen Markt und Moral. Kann sich CSR rechnen und damit in die unternehmerische Handlungslogik der Gewinnmaximierung integriert werden? Oder bedarf es doch eines moralisch motivierten Akteurs, eines verantwortlichen Corporate Citizen? Sucht man aus betriebswirtschaftlich-theoretischer Perspektive nach Antworten, so wird ein positiver Zusammenhang von CSR und Profit als notwendige Voraussetzung für ein freiwilliges, nicht staatlich erzwungenes Engagement von Unternehmen gesehen.2 Vor allem in Branchen, in denen der globale Wettbewerb über den Preis ausgetragen wird, so die betriebswirtschaftliche Argumentation, müssen Unternehmen der Handlungslogik strategischer Profitorientierung folgen, um am Markt zu bestehen. Die sich im Zuge der Globalisierung reduzierende Steuerungswirkung staatlicher Regulierungen eröffnet multinationalen Unternehmen dabei für ihre Suche nach dem kostengünstigsten Produktionsstandort neue Handlungsspielräume. Wertschöpfungsketten multinationaler Unternehmen lassen sich in einzelne Produktionsschritte zergliedern, um so eine optimale Anpassung der globalen Standortpolitik im Hinblick auf einen Wettbewerbsvorteil zu ermöglichen. Niedrige Sozialstandards können dabei zumindest kurzfristig die Gewinne erhöhen, wenn bei- spielsweise die Löhne von Kinderarbeitern niedrig, die Arbeitszeiten lang und die Aufwendungen für Arbeitsschutz gering gehalten werden. Ist dann noch der Quartalsbericht entscheidend, kann es sich für bestimmte Unternehmensformen und Branchen rechnen, auf geringe Sozialstandards in der Produktionskette zu setzen. Gewinne aus besseren Sozialstandards kommen allenfalls mittelfristig, oftmals jedoch nur diffus zum Tragen und sind kaum in einer traditionellen Kosten-Nutzen-Rechnung zu erfassen. Unabhängig davon, dass sich in der Literatur die gesamte Bandbreite von positiver, negativer oder auch nicht vorhandener Korrelation zwischen CSR und Profit findet, hat sich offensichtlich bisher für viele multinationale Unternehmen CSR nicht als praxisrelevante Möglichkeit der Gewinnsteigerung aufgedrängt. Dieses Ergebnis ergibt sich zumindest bei Beurteilung der vielen kritischen Berichte zivilgesellschaftlicher Akteure zu schlechten Arbeitsbedingungen in der Wertschöpfungskette westlicher Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern. Trotzdem lässt sich vor allem seit den 1990er Jahren eine Zunahme freiwilligen, nicht staatlich erzwungenen Engagements multinationaler Unternehmen im Bereich CSR beobachten. Wird hier den Marktgesetzen eines grenzenlosen Kapitalismus moralisches Handeln entgegengesetzt? Finden sich tatsächlich immer mehr moralisch handelnde Unternehmen, die sich ethischen Maßstäben verpflichtet sehen? Über diese Möglichkeit denken die Wirtschafts- und Unternehmensethiker nach. Dabei sollen normative Lösungswege für unternehmerische Dilemma-Situationen bereitgestellt werden, wie im Sinne von CSR gehandelt werden kann. Für am Shareholder Value orientierte multinationale Unternehmen scheint es hingegen kaum realistisch, bei ihrem freiwilligen Engagement im Bereich CSR von einer ethischen Handlungsorientierung auszugehen. Doch warum implementieren profitorientierte, multinationale Unternehmen freiwillig Sozialstandards und engagieren sich freiwillig im Bereich CSR, wenn sich dies weder offensichtlich rechnet noch sie als moralische Akteure begriffen werden können? Weder Markt noch Moral, sondern gesellschaftliche Wechselwirkungen sind hierfür der Grund: Das wäre eine mögliche Antwort aus der Soziologie. Mit einem solchen Perspektivenwechsel können Konstruktions- und Definitionsprozesse von CSR in der Wechselbeziehung von Unternehmen und gesellschaftlicher Umwelt als wesentliches Moment eines Diffusions- oder sogar Innovationsprozesses in den Blick genommen werden. Bisher wurde eine solche soziologische Sichtweise auf CSR jedoch in der Debatte vernachlässigt. Hier setzt die vorliegende Arbeit an und geht aus einer vornehmlich wirtschaftssoziologischen Perspektive der Frage nach, warum sich multinationale Unternehmen freiwillig, ohne staatlichen Zwang, im Bereich CSR engagieren und wie es darüber hinaus zu Diffusionsprozessen von CSR kommt. Für eine Betrachtung der Wechselbeziehungen zwischen Unternehmen und ihrer gesellschaftlichen Umwelt wird im vorliegenden Text der neue soziologische Institutionalismus (NSI) fruchtbar gemacht. Mit dem NSI wird die Argumentation entwickelt, dass freiwillige Initiativen von Unternehmen im Bereich CSR als Elemente einer organisationalen Überlebensstrategie aufgefasst werden können. Das unternehmerische Bestehen am Markt ist demnach nicht primär von ökonomischer Effizienz abhängig und bedarf auch keiner moralischen Überzeugung. Vielmehr ist die gesellschaftliche Legitimation unternehmerischen Handelns durch CSR von zunehmender Bedeutung. Mit dem NSI wird so ein Erklärungsbeitrag hinsichtlich der Frage geleistet, warum amoralische, profitorientierte Unternehmen ökonomisch ineffiziente CSR-Praktiken umsetzen. Denn Organisationen legitimieren sich, indem sie die von der gesellschaftlichen Umwelt an sie herangetragenen institutionalisierten Regeln, die die Funktion von Mythen übernehmen, in ihre Formalstrukturen integrieren. Multinationale Unternehmen können sich, so die These, mit ihrem freiwilligen CSR-Engagement legitimieren, weil sie auf Mythen zu CSR3 reagieren. Auch für Diffusionsprozesse von CSR eröffnet der NSI Erklärungsperspektiven, indem er mit den Mechanismen des institutionellen Isomorphismus von einer Angleichung und Homogenisierung an die in den Mythen abgebildeten Erwartungen ausgeht. Unternehmen passen sich vor allem dann an die gesellschaftlichen Umwelterwartungen an, wenn sie wie auf dem neuen Markt CSR mit einem hohen Maß an Ungewissheit konfrontiert werden. Die Marktteilnehmer empfinden nicht nur Unsicherheit darüber, wie sich zukünftig die kontroversen Erwartungen der gesellschaftlichen Umwelt an die Unternehmen im Hinblick auf CSR entwickeln. Auch für den Umgang mit diesen Forderungen haben sie kein Patentrezept zur Hand. Vielmehr sehen sie sich mit einer kaum überschaubaren und nicht kalkulierbaren Zahl von CSR-Instrumenten und -Initiativen konfrontiert, deren unterschiedliche Reputation und Güte sich erst herausbildet. Folglich können hier Rationalität und rationales Handeln in einem wirtschaftswissenschaftlichen Sinn nicht handlungsleitend sein. Stattdessen kann sich im Sinne des institutionellen Isomorphismus eine Ausrichtung auf vermeintliche CSR-Trendsetter als eine mögliche Handlungsorientierung erweisen. Die zu beobachtenden Handlungen sind hier in Erweiterung des NSI zu verstehen al…


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