Stalins Enkel, Maos Söhne

Stalins Enkel, Maos Söhne

Einband:
Paperback
EAN:
9783593378657
Untertitel:
Die Lebenswelt der K-Gruppen in der Bundesrepublik der 70er Jahre
Genre:
Zeitgeschichte (1946 bis 1989)
Autor:
Andreas Kühn
Herausgeber:
Campus Verlag GmbH
Auflage:
1. Aufl. 10.2005
Anzahl Seiten:
358
Erscheinungsdatum:
31.10.2005
ISBN:
978-3-593-37865-7

Neues zur deutschen Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts

Die maoistischen K-Gruppen, entstanden aus der Studentenrevolte der Jahre nach 1967, waren die größte linksradikale Gruppierung der Bundesrepublik und eine der totalitärsten Jugendbewegungen dieses Jahrhunderts. Andreas Kühn schildert, unter welchen Bedingungen sie entstanden, und rekonstruiert die Lebenswelt ihrer Mitglieder und »Sympathisanten «. Die K-Gruppen sind heute nahezu bedeutungslos, doch nicht wenige Angehörige der heutigen politischen und wissenschaftlichen Elite wurden darin sozialisiert ein zentrales Kapitel unserer jüngsten Geschichte.

Autorentext
Andreas Kühn, Dr. phil., promovierte an der Universität Düsseldorf und ist dort wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar.

Zusammenfassung
"Es gelingt Kühn, die verwirrende Welt der K-Gruppen aufzuschlüsseln und zugleich ein umfassendes Bild zu zeichnen." (Das Historisch-Politische Buch)

Leseprobe
Was um Himmels Willen sind denn die K-Gruppen?" So oder ähnlich reagieren Interessierte auf die Auskunft über das Thema dieser Untersuchung. Die Geschichte der K-Gruppen, einer der großen intellektuellen Jugendbewegungen der ersten Hälfte der 1970er Jahre in der Bundesrepublik Deutschland, führt ein Schattendasein im Bereich der Forschung über die Studentenrevolte der Jahre nach 1967 und ihre Ausläufer. Und dies, obgleich die K-Gruppen zu den auffälligsten und irritierendsten Phänomenen dieser Phase gehören. Diese Geschichte aufzuschreiben, so Uwe Backes und Eckhard Jesse, sei ein Forschungsdesiderat. Das gilt noch immer. Der Grund für ihre Vernachlässigung mag einerseits im starken Abwehraffekt der Ehemaligen begründet liegen, die heute nicht selten arriviert sind. Andererseits setzten die K-Gruppen der "mündlichen Kultur" der undogmatischen Linken, so Gerd Koenen, eine "schriftliche Kultur" entgegen. Die verschiedenen Parteien, Bünde und Zirkel, für Außenstehende nicht überschau- und unterscheidbar, produzierten Unmengen von bedrucktem Papier. Neben ihren "Zentralorganen" und "Theoretischen Zeitschriften" gaben sie Broschüren heraus, die aktuelle politische Themen aufnahmen oder einfach nur unter das Volk gebracht werden sollten, um den politischen Gegner, seien es die DKP, die Trotzkisten oder konkurrierende "marxistisch-leninistische" (ML) Bünde zu schmähen. Außerdem gaben ihre so genannten "Massenorganisationen" eigene Publikationen heraus. Gleiches gilt für manche Ortsverbände und -gruppen. In den Kellern so mancher Ehemaliger werden sich noch Hunderte Zeitschriften, Traktate und Pamphlete stapeln, die auf ihre Entdeckung durch die Enkelgeneration warten. Eine systematische Sammlung von Quellen der "ML-Bewegung" besitzt das Archiv "APO und soziale Bewegungen" der Freien Universität Berlin. Neben dem Nachlass der größten K-Gruppe, des "Kommunistischen Bundes Westdeutschland", findet sich hier in meterlangen Ordnerreihen die umfassendste Sammlung von Publikationen und Interna der ML-Parteien und -Bünde. Trotz oder gerade wegen dieser hervorragenden Quellenlage, die durch ihre Unübersichtlichkeit auch abschrecken könnte, wurde über die K-Gruppen nicht viel geschrieben. Einen Anfang machte Michael Steffen mit seiner im Jahr 2002 erschienenen Monographie Geschichten vom Trüffelschwein. Politik und Organisation des Kommunistischen Bundes 1971 bis 1991, der ersten Gesamtdarstellung einer bundesdeutschen K-Gruppe. Steffen betätigt sich als Chronist der Organisation, die vor allem im norddeutschen Raum wirkte, wobei er der Politik- und Ereignisgeschichte Vorrang einräumt. Gerd Koenen hingegen legt seiner kulturhistorischen Abhandlung über die "68er" einen Ansatz zugrunde, der primär auf den Generationenkonflikt abzielt. Koenen, selbst früher Mitglied des KBW, billigt den K-Gruppen einen wichtigen Platz im "Roten Jahrzehnt" der Jahre 1967 bis 1977 zu. Bereits 1976 erschien der von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebene Band Die K-Gruppen. Entwicklung - Ideologie - Programme von Frank D. Karl. Der Autor gibt einen politikwissenschaftlichen Überblick über Gründungsparteitage, Aufspaltungen, Mitgliederzahlen etc., klammert die Frage nach den Einstellungen und Mentalitäten der Akteure aber aus. Gleiches gilt für das ausführliche K-Gruppen-Kapitel in Gerd Langguths Standardwerk Protestbewegung. Zur wissenschaftlichen tritt die autobiographisch-literarische Verarbeitung. In der eindrucksvollen Textsammlung Wir warn die stärkste der Partein ... Erfahrungsberichte aus der Welt der K-Gruppen beschreiben ehemalige Mitglieder ihre Karrieren im KBW beziehungsweise in der KPD. Gleiches gilt für den autobiographischen Roman Der schöne Vogel Phönix. Erinnerungen eines Dreißigjährigen von Jochen Schimmang. Beide Werke vermitteln einen ersten Eindruck von der Binnenstruktur der K-Gruppen sowie den Einstellungen und Deutungsmustern ihrer Mitglieder und ihrer subjektiven Lebenswelt. Die hier vorgelegte Studie möchte den Zugang über autobiographisch-literarische Texte mit dem konventionellen geschichtswissenschaftlichen Vorgehen der Interpretation von Archivalien und Quellen kombinieren. Um sich nicht im Nachbuchstabieren der Ränke, Konkurrenzen und Spaltungen der unzählbaren Parteien, Bünde und Zirkel zu verlieren, bleibt sie auf die drei wichtigsten K-Gruppen in der Geschichte der Bundesrepublik beschränkt: die KPD/ML ("Zentralorgan" Roter Morgen), die KPD ("Zentralorgan" Rote Fahne) und den KBW ("Zentralorgan" Kommunistische Volkszeitung). Weitere Gruppen werden betrachtet, wenn sie mit den hier genannten interagierten. Deren Binnenwelt, Sektierertum und auf dem Freund/Feind-Verhältnis basierende und ins Imaginäre weisende linke Weltwahrnehmung unterschied sich nicht oder nur unwesentlich von jener der hier in den Mittelpunkt gestellten drei K-Gruppen. Der Kommunistische Bund (KB) spielt ebenfalls eine untergeordnete Rolle, obwohl er in den 1970er Jahren ein hohes Mobilisierungspotenzial aufweisen konnte. Wie Michael Steffen anmerkt, unterschied er sich von allen anderen K-Gruppen durch seine pragmatische Realpolitik. Im Folgenden soll es aber nicht um Politikgeschichte, sondern um die Erschließung eines kulturellen Feldes gehen, in welchem Faktoren wie Imagination und Historisierung, gleichsam die Verweigerung des Realen, die Hauptrolle spielen. Die wichtigste Quelle für die Analyse stellen die "Zentralorgane" der genannten Organisationen dar. Sie geben Auskunft über die kulturelle Produktion eines eigenen Mikrokosmos beziehungsweise die Reproduktion altkommunistischer Standards, über interpretatorische Essentials und die Selbstsicht der K-Gruppen. Roter Morgen (KPD/ML), Rote Fahne (KPD) und Kommunistische Volkszeitung (KBW) liegen im Duisburger "Archiv für alternatives Schrifttum" (AfaS) vor. Gleiches gilt für Broschüren der verschiedenen ML-Parteien und -Bünde. Einen wichtigen Einblick in Binnenstruktur und Interna besonders des KBW geben die Bestände des Archivs "APO und soziale Bewegungen" der Berliner Freien Universität. In geringerem Umfang wurden audiovisuelle Quellen wie Interviews mit ehemals Beteiligten, Fernsehdokumentationen oder auch Plakate der K-Gruppen herangezogen. Den "Theoretischen Organen" der verschiedenen Zirkel hingegen kommt nur geringe Bedeutung zu, da sie hauptsächlich mit der Exegese der sakrosankten "Klassiker des Sozialismus" aufwarten. Hauptuntersuchungszeitraum sind die Jahre 1970 bis 1980, die Dekade in der Geschichte der BRD, in der die K-Gruppen ihre Blütezeit hatten. Die Nachgeschichte der ehemals Aktiven wird nicht ausgeblendet. Gerade ihr Weg von der streng dogmatischen Kaderpartei in die Machtzentren der Republik beschreibt eine der interessantesten, aber auch stark vernachlässigten Episoden in der westdeutsche…


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