Gesammelte Werke Band 10: Aufsätze - Reden - Gespräche

Gesammelte Werke Band 10: Aufsätze - Reden - Gespräche

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783446185203
Untertitel:
Gesammelte Werke 10
Genre:
Literatur vor 1945
Autor:
Elias Canetti
Herausgeber:
Hanser C.
Auflage:
1. Auflage
Anzahl Seiten:
400
Erscheinungsdatum:
28.02.2005
ISBN:
978-3-446-18520-3

In seinen Aufsätzen und Reden hat sich Elias Canetti vielfältig mit den Künsten auseinandergesetzt - er widmete sich der Literatur von Hebel bis Kafka, Proust und Joyce, der Malerei und immer wieder dem Theater. Sein berühmtes Gespräch mit Theodor W. Adorno sowie zahlreiche Interviews zur eigenen Biographie und Zeitgeschichte führen vor Augen, wie Canetti im Dialog gewirkt haben muss. Mit diesem Band, der manches bisher Ungedruckte versammelt, liegt die 10-bändige Ausgabe seiner Werke vollständig vor.

Autorentext
Elias Canetti wurde 1905 in Rustschuk/Bulgarien geboren und wuchs in Manchester, Zürich, Frankfurt und Wien auf. 1929 promovierte er in Wien zum Dr. rer. nat. 1930/31 erfolgte die Niederschrift seines Romans Die Blendung, der 1935 erschien. 1938 emigrierte Canetti nach London, wo er anthropologische und sozialhistorische Studien zu Masse und Macht (1960) aufnahm. Ab den 1970er Jahren lebte er vorwiegend in der Schweiz und erlangte weiterreichende Berühmtheit mit seinen Theaterstücken, den Aufzeichnungen und den autobiographischen Büchern, darunter Die gerettete Zunge. 1981 wurde ihm der Nobelpreis für Literatur verliehen. 1994 starb er in Zürich.

Klappentext
In seinen Aufsätzen und Reden hat sich Elias Canetti vielfältig mit den Künsten auseinandergesetzt - er widmete sich der Literatur von Hebel bis Kafka, Proust und Joyce, der Malerei und immer wieder dem Theater. Sein berühmtes Gespräch mit Theodor W. Adorno sowie zahlreiche Interviews zur eigenen Biographie und Zeitgeschichte führen vor Augen, wie Canetti im Dialog gewirkt haben muss. Mit diesem Band, der manches bisher Ungedruckte versammelt, liegt die 10-bändige Ausgabe seiner Werke vollständig vor.

Leseprobe
Drei Dinge sind es, die den menschlichen Geist heute vor allem beschäftigen. Das erste ist unser Erbe. Ein Mensch, der von nichts weiß und die Augen öffnet, sieht eine Welt, die voll ist von gegebenen Gegenständen und Traditionen. Sie alle haben für eine Reihe von Menschen eine Bedeutung; ohne sie könnten diese Menschen nicht leben. Es gibt in dieser Welt alte Städte und Kathedralen, Landschaften und Familien, Pflanzen, die der Mensch seit Ewigkeiten kultiviert, Tiere, die es gewohnt sind, mit ihm zusammenzuleben, Hochzeitsbräuche und Begräbnisse, uralte Werkzeuge und Trachten, Glaubenssätze, Namen, schöne Melodien und Geschichten. Dies alles als Ganzes zu erleben, im Laufe eines einzigen Lebens, darin ein zusammenhängendes Muster zu erkennen, das mit Bedeutung gefüllt ist statt mit verwirrenden Widersprüchen, ihm eine Einheit zu geben, nicht durch Verwerfung und Ausschluß, sondern indem man lernt, wie man es aufnehmen, wie man dafür Platz schaffen kann das ist wahrlich eine notwendige und dabei sehr schwierige Aufgabe. Um dies zu erreichen, kann es nicht genügen, sich bloß umzusehen und die Dinge auf die übliche rationale Art kennenzulernen. Es gibt zuviel kennenzulernen und zu sehen. Die spezialisierte, systematische Beschäftigung mit der Vergangenheit, die Wissenschaft der Geologie, der Archäologie, der Geschichte oder das vergleichende Studium der Mythologien und Religionen sie alle sind in sich zu eng definiert. Sie nehmen einen einzelnen Gegenstand aus seiner komplexen, lebendigen Umgebung heraus, isolieren ihn, multiplizieren ihn, vergleichen ihn mit anderen. Sie machen zweifellos Entdeckungen und kommen zu wichtigen Schlüssen, niemand könnte es sich träumen lassen, ohne sie auszukommen, aber sie haben keinen Weg gefunden, sich mit der Vergangenheit als Ganzem zu befassen. Was sie untersuchen, erscheint alles in einem gleich grellen Licht. Ein simples, auf Wiederholung gründendes numerisches System von Jahren soll vermitteln, was nicht gefühlt werden kann. Durch den Hang zur Objektivität wird alles seines wesentlichsten Inhaltes beraubt. Es ist die subjektive Erinnerung des einzelnen, die uns ein angemesseneres Verfahren zeigt. Lerne alles kennen, was deine individuelle Erinnerung dir geben kann, laß sie sich erst anfüllen und dann erforsche sie und brauch sie auf; schaffe so etwas wie eine Wissenschaft deiner eigenen Erinnerung, und du wirst ein intellektueller Meister der Vergangenheit werden. Dies ist, kurz gesagt, das, was Marcel Proust getan hat. Das zweite, was die Menschen beschäftigt, ist dieser Augenblick in unserm eigenen Leben, unsere eigene Zeit sozusagen unsere eigene Zeit, losgelöst von allen anderen Zeiten. Nichts kann Ihnen eine bessere Vorstellung davon geben, was hier gemeint ist, als ein Spaziergang durch die geschäftigen Straßen einer modernen Stadt. Dieses Chaos von widerstreitenden Tendenzen und Beschäftigungen, Zielen und Aktivitäten, Stimmen und Schweigen, Triumphen, Klagen, Niederlagen; die Farbigkeit und Doppeldeutigkeit des Ganzen; seine Unbekümmertheit gegenüber der Vergangenheit; der Eindruck, daß alles auf einmal geschieht, eine Simultaneität, als ob nichts davor oder danach von Bedeutung wäre; wie klein und zerrissen die Dinge und Ereignisse wirken, während doch in allen so viel Energie steckt; wie alles sich seinen Weg bahnt, in die eine oder andere bestimmte Richtung, mit einem winzigen eigenen Willen und Widerstand gegen alles andere das ist der tierische Aspekt unserer modernen Welt, ein Leben, das in sich selbst besteht, ohne eine Vergangenheit und eine Zukunft, der schnelle und immer mehr anschwellende Fluß der Gegenwart. James Joyce hat eine Methode entwickelt, sich damit zu befassen. Er hat den Fluß der Gegenwart in der gegebenen Einheit einer Stadt, Dublin, und innerhalb eines bestimmten Tages, dem 16. Juni 1904, eingefangen. Das dritte, was die Menschen beschäftigt, das Furchterregendste von den dreien, ist das, was kommen wird. Nichts ist hier gegeben, nichts bekannt. Es liegen keine Gegenstände herum, von denen man mit Gewißheit sagen kann, sie würden die Zukunf


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