Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter

Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter

Einband:
Kartonierter Einband
EAN:
9783150093948
Untertitel:
Eine verwilderter Roman
Genre:
Literatur vor 1945
Autor:
Clemens Brentano
Herausgeber:
Reclam
Anzahl Seiten:
599
Erscheinungsdatum:
1995
ISBN:
978-3-15-009394-8

Brentanos romantisch-verwilderter Roman erschien 1801 in zwei Bänden. Der erste Teil schafft als Briefroman ein geheimnisvolles Beziehungsgeflecht zwischen allerlei Personen, das der als lineare Erzählung angelegte zweite Teil zu entwirren und aufzuhellen sucht. Willkür, Subjektivität, Ironie und Illusionsbrechungen bestimmen die Struktur von Brentanos einzigem Roman, der lyrische Grundton wird durch zahlreiche eingestreute Lieder verstärkt, darunter so betörende wie »Ein Fischer saß im Kahne« oder »Zu Bacharach am Rheine«.

Autorentext
Clemens Brentano, 9. 9. 1778 Ehrenbreitstein bei Koblenz - 28. 7. 1842 Aschaffenburg.
B., Sohn des Frankfurter Kaufmanns Peter Anton Brentano und dessen Frau Maximiliane (geb. La Roche), brach nach seiner Schulzeit am Koblenzer Jesuitengymnasium (1787-90) und dem Mannheimer Philanthropin (1791-93) mehrere Versuche einer bürgerlichen Berufsausbildung ab. Nach dem Tod von Mutter (1793) und Vater (1797) besuchte er, durch ein beträchtliches Erbe nanziell unabhängig, die Universitäten in Jena (1798-1800 Medizin) und Göttingen (1801 Philosophie), ohne einen festen Abschluss anzustreben. Wichtig für seine Entwicklung wurde vielmehr die Beziehung zum Kreis der Frühromantiker in Jena - hier lernte er auch seine spätere Frau Sophie Mereau kennen (Heirat 1803) - und die Freundschaft mit A. v. Arnim (Göttingen). Von 1804 bis 1808 kam es in Heidelberg zur intensiven Zusammenarbeit mit Arnim und weiteren romantischen Schriftstellern und Wissenschaftlern (J. Görres, Friedrich Creuzer). Neben heftigen literarischen Auseinandersetzungen mit J. H. Voß und seinen Anhängern trugen ein in turbulenter Form öffentlich ausgetragener Ehekon ikt dazu bei, den Aufenthalt in Heidelberg unmöglich zu machen (nach dem Tod S. Mereaus 1806 hatte B. 1807 Auguste Bußmann geheiratet; Trennung 1809, Scheidung 1812). Landshut (1808-09), Berlin (1809-11), Böhmen (1811-13), Wien (1813-14) und wieder Berlin (1814-18) waren die nächsten Stationen. Im Zusammenhang mit der unglücklichen Liebe zur protestantischen Pfarrerstochter Luise Hensel, die er 1816 kennenlernte, kam es zu einer tiefen Lebenskrise, die in eine Generalbeichte und die Rückkehr zum katholischen Glauben (1817) mündete. B. stellte seine Kunst von nun an in den Dienst der katholischen Erneuerung. Von 1818 bis 1824 hielt er sich im westfälischen Dülmen auf, um die Visionen der stigmatisierten Nonne Anna Katharina Emmerick aufzuzeichnen, Basis für eine (z. T. postum publizierte) erfolgreiche Trilogie eines Leben Jesu. Nach dem Tod der Nonne lebte er u. a. in Koblenz, Frankfurt und Regensburg, bis er 1833 nach München übersiedelte (Kreis um Görres) und in einer weiteren Liebesbeziehung, zur Baseler Malerin Emilie Linder, scheiterte. Er starb im Hauses seines Bruders in Aschaffenburg, wo er sich seit 1841 aufhielt.

B.s Schaffen stand zunächst unter dem Eindruck der frühromantischen Poetik, die er in der Literatursatire Gustav Wasa und dem 'verwilderten Roman' Godwi programmatisch umzusetzen suchte. Auch das melancholische Intrigenstück Ponce de Leon entspricht mit seinem auf die Spitze getriebenen Sprachwitz und seiner virtuosen Sprachbehandlung diesen Vorstellungen. Der experimentelle Godwi enthält - wie seine anderen Werke - zahlreiche lyrische Einlagen, darunter auch die bekannte Loreley-Er ndung Zu Bacherach am Rheine. In Zusammenarbeit mit Arnim schuf er auf der Basis 'alter deutscher Lieder' den kunstvollen Volksliedton, der charakteristisch für die Lyrik des 19. Jh.s werden sollte. Unvollendet blieb die lyrisch-epische Romanzendichtung Die Romanzen vom Rosenkranz, an der er seit 1803 arbeitete. Ohne Abschluss blieben auch andere Projekte wie ein weiterer Romanversuch (Der schiffbrüchige Galeerensklave), verschiedene dramatische Dichtungen oder seine Märchendichtungen (Italienische Märchen nach Giambattista Basile und Märchen vom Rhein), die artistische Sprachkunst, Satire und überlieferte Sagen- und Märchenwelt miteinander verbinden. Als B.s erzählerisches Meisterwerk gilt die Geschichte vom braven Kasperl und dem schönen Annerl, die zugleich den poetischen Prozess selbst und die Situation des der Natur und dem Leben entfremdeten modernen Dichters zum Gegenstand hat. Den größten Erfolg hatte
B. mit seinen Erbauungsschriften.


In: Reclams Lexikon der deutschsprachigen Autoren. Von Volker Meid. 2., aktual. und erw. Aufl. Stuttgart: Reclam, 2006. (.) - © 2001, 2006 Philipp Reclam jun. GmbH & Co., Stuttgart.

Leseprobe
Hu! Es ist hier gar nicht heimisch, ein jeder Federstrich hallt wieder, wenn der Sturm eine Pause macht. Es ist kühl, mein Licht flackert auf einem Leuchter, der aus einem in Silber gefaßten Hirschhorne besteht. In dem Gemache, in dem ich sitze, herrscht eine eigene altfränkische Natur, es ist, als sey ein Stück des fünfzehnten Jahrhunderts bey Erbauung des Schlosses Eichenwehen eingemauert worden, und die Welt sey draußen einstweilen weiter gegangen. Alles, was mich umgiebt, mißhandelt mich, und greift so derb zu wie ein Fehde-Handschuh. Die Fenster klirren und rasseln, und der Wind macht ein so sonderbares Geheule durch die Winkel des Hofes, daß ich schon einigemal hinaussah, und glaubte, es führen ein halb Dutzend Rüstwagen im Galopp das Burgthor herein.
Diesem äußern Sturme hast du meinen Brief zu danken, er stutzt sich zwischen mir und meiner Umgebung wie ein brausender Waldstrom hin, und alle Betrachtungen liegen am jenseitigen Ufer. So muß ich dann meine Zuflucht in mich zurück, in mein Herz nehmen, wo du noch immer in der Stellung der Abschiedsstunde gegen mir über in unserm Garten sitzest, und mir gute Lehren giebst.
Es ist oft so, wie in diesem Augenblicke, und ich glaube, daß der Sturm in der Natur und dem Glücke, ja daß alles Harte und Rauhe da ist, um unsern unsteten Sinn, der ewig nach der Fremde strebt, zur Rückkehr in die Heimath zu bewegen.


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