Symbolische Formung

Symbolische Formung

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783938808924
Untertitel:
Eine Soziologie des Symbols und des Rituals
Genre:
Soziologie
Autor:
Hans G Soeffner
Herausgeber:
Velbrueck GmbH
Auflage:
1., Auflage
Anzahl Seiten:
240
Erscheinungsdatum:
31.10.2010
ISBN:
978-3-938808-92-4

Erst Formung macht aus kollektiven Empfindungen und Ahnungen einen Glauben, der sich auf Dauer stellen lässt. Eine der Formen, auf die sich Glaube und gefestigte kollektive Überzeugungen stützen können, ist das Ritual. Es ist zentraler Bestandteil alter und neuer Versuche mythischer Weltbewältigung durch symbolische Formung der Wirklichkeit. Als Aktionsform des Symbols verlangt es also Tätigkeit, wo andere Symbole ihre Kraft und Wirkung aus der fixierten Gestalt ziehen. Rituale repräsentieren damit Ordnungen, die im Handeln immer erst und immer wieder hergestellt werden müssen. Sie formen und disziplinieren das Verhalten, machen es überschaubar und vorhersagbar und erlauben, dass wir uns nicht nur in Räumen, sondern auch im Handeln zu Hause fühlen. Die aus dem direkten Erleben entspringende Überzeugungskraft macht die Stärke, zugleich aber auch die Gefahr symbolischen Handelns und Mitteilens aus: Symbole vermögen zu überzeugen wider alle Vernunft. Das heißt aber auch, sie sind imstande, ohne Begleitung der Vernunft eigene Welten zu konstituieren, die sich der Kontrolle und Überprüfung der reflektierenden Vernunft entziehen, die also auch irreflexive Wahnwelten aufbauen und erhalten können. Eine Hermeneutik der Symbole ist daher nicht einfach nur möglich, sondern auch notwendig.

Autorentext
Hans-Georg Soeffner, geb 1939, ist
Prof. em. für Allgemeine Soziologie
(zuletzt Universität Konstanz). Er ist
seit 2007 Vorsitzender der Deutschen
Gesellschaft für Soziologie,
Senior Fellow und Vorstandsmitglied
am Kulturwissenschaftlichen
Institut in Essen, Mitherausgeber
der Soziologischen Revue. Bei
Velbrück Wissenschaft hat er veröffentlicht:
Gesellschaft ohne Baldachin.
Kultur und Religion in der
pluralistischen Gesellschaft (2000).

Klappentext
Erst Formung macht aus kollektiven Empfindungen und Ahnungen
einen Glauben, der sich auf Dauer stellen lässt. Eine der
Formen, auf die sich Glaube und gefestigte kollektive Überzeugungen
stützen können, ist das Ritual. Es ist zentraler Bestandteil
alter und neuer Versuche mythischer Weltbewältigung
durch symbolische Formung der Wirklichkeit. Als Aktionsform
des Symbols verlangt es also Tätigkeit, wo andere Symbole ihre
Kraft und Wirkung aus der fixierten Gestalt ziehen. Rituale repräsentieren
damit Ordnungen, die im Handeln immer erst und
immer wieder hergestellt werden müssen. Sie formen und disziplinieren
das Verhalten, machen es überschaubar und vorhersagbar
und erlauben, dass wir uns nicht nur in Räumen, sondern
auch im Handeln zu Hause fühlen.
Die aus dem direkten Erleben entspringende Überzeugungskraft
macht die Stärke, zugleich aber auch die Gefahr symbolischen Handelns
und Mitteilens aus: Symbole vermögen zu überzeugen wider
alle Vernunft. Das heißt aber auch, sie sind imstande, ohne Begleitung
der Vernunft eigene Welten zu konstituieren, die sich der Kontrolle
und Überprüfung der reflektierenden Vernunft entziehen, die
also auch irreflexive Wahnwelten aufbauen und erhalten können.
Eine Hermeneutik der Symbole ist daher nicht einfach nur möglich,
sondern auch notwendig.

Leseprobe
Präludium Des Widersprüchlichen Zähmung Eine nicht nur typisch deutsche sondern auch kulturübergreifende alltagssoziologische Grundüberzeugung drückt sich in der zum Sprichwort erhobenen Behauptung aus: Ordnung ist das halbe Leben. Es ist eine Spruchweisheit, die in der Regel mit erhobenem Zeigefinger und als verkappter Imperativ vorgetragen wird: Ordnung sei mindestens das halbe Leben! Damit ist zwar nicht gesagt, dass die andere Hälfte ausschließlich aus Unordnung, Chaos und, damit verbunden, aus Unannehmlichkeiten besteht. Denn die Hoffnung auf angenehme Überraschungen und auf die Erfindungskraft der Phantasie, der menschlichen Hoffnungsträgerin und beharrlichen Widersacherin der Ordnung, wird nicht explizit ausgeschlossen. Aber als Hintergrundmotiv dieser Alltagsmaxime klingen unverkennbar Furcht und Sorge vor Anarchie, Unordnung und Zufälligkeit des Lebens und der menschlichen Existenz an. Der alltägliche Common Sense und das soziologische Denken liegen hier, wie sich exemplarisch zeigen lässt, nicht weit auseinander. Für Emile Durkheim, einen der Gründungsväter der Soziologie, stellt Anomie die fundamentale Bedrohung der Gesellschaft dar. Und Max Weber erkennt die Ordnungsleistung der Kultur darin, dass sie einen 'vom Standpunkt des Menschen aus mit Sinn und Bedeutung bedacht[en] endlich[en] Ausschnitt aus der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens' zu schaffen versucht. Ähnlich argumentieren Alfred Schütz und Thomas Luckmann. Sie benennen als Hintergrundmotiv gesellschaftlicher Ordnungskonstruktionen der 'Strukturen der Lebenswelt' die Ahnung von der permanent drohenden Gefahr des Zusammenbruchs der 'gewohnten Ordnungen'. Nicht zuletzt ist auch die Systemtheorie Niklas Luhmanns ein weiterer anspruchsvoller Versuch, die Prozesshaftigkeit gesellschaftlicher Entwicklung und menschlicher Kommunikation durch ein umfassendes Theoriemodell einzufangen, abzubilden und zu ordnen. Kurz, es gibt keinen bedeutenden soziologischen Theorieentwurf, in dem die Ordnungsproblematik nicht behandelt würde. Eines der vielen Hilfsmittel menschlicher Orientierungsversuche und Ordnungskonstruktionen besteht in dem Entwurf von Sinn- und Bedeutungsstrukturen, die sowohl das menschliche Leben als auch das Weltgeschehen mit einem Netzwerk aufeinander verweisender Chiffren überziehen, diese in symbolische Großformen (Cassirer) einweben und schließlich in einen übergreifenden Mythos einarbeiten: Als 'Kulturmenschen [], begabt mit der Fähigkeit und dem Willen, bewußt zur Welt Stellung zu nehmen und ihr einen Sinn zu verleihen ' (Max Weber), entwerfen wir unsere Kultur durch unablässige und beharrliche 'Arbeit am Mythos' (Blumenberg), an religiösen, weltanschaulichen oder wissenschaftlichen Großerzählungen, die es uns gestatten, uns jeweils bis auf Weiteres auf sinnhaften Inseln innerhalb der sinnlosen Unendlichkeit des Weltgeschehens wohnlich einzurichten. Da weder das individuelle noch das soziale Leben, weder Gemeinschaften noch Gesellschaften und Staaten eine durchgängige Ordnung aufweisen, und selbst die erkennbaren Ordnungen oft einander widersprechen oder miteinander konkurrieren, ist die Arbeit am Mythos immer zugleich auch die Arbeit am Widerspruch: des Widersprüchlichen Zähmung. Diese Zähmung bedient sich eines Werkzeuges, das oft ganz unauffällig in allen Bereichen menschlicher Kommunikation die Widersprüche zu einer, wenn auch in sich widersprüchlichen Einheit zusammenzufügen versucht. Das aus Widersprüchen zusammengesetzte, sich als ursprüngliche Einheit Gebende, ist das Symbol. Seine Gestalt ist die symbolische Form. Die Arbeit an der symbolischen Form schließlich besteht in der symbolischen Formung der anders nicht zu leistenden Aufhebung von Widersprüchen in einer Gestalt, einem Zeichen. Dementsprechend muss der Soziologie, insbesondere der wissenssoziologischen Hermeneutik, daran gelegen sein, die Arbeit des Menschen am Mythos durch Auslegungsarbeit zu begleiten und aufzuschlüsseln: herauszufinden, welche Probleme in Mythen bearbeitet, welche Widersprüche in Symbolen aufgehoben werden, wie sich symbolische Formungen vollziehen, welcher Mittel sie sich bedienen und wie sie ihre Wirkung erzielen. Aus der umfangreichen Arbeit am Mythos und an symbolischen Großformen greife ich im Folgenden lediglich relativ überschaubare Teilbereiche heraus: das Symbol und seine Handlungsform, das Ritual. Die in der Ouvertüre anklingenden Themen und ihre theoretischen Auflösungen sind gewonnen aus den Etüden, kleinteiligen Auslegungen von Beispielen symbolischer Formung und rituellen Handelns. Das Intermezzo nimmt das Thema alltagspraktisch-ästhetischer menschlicher (Selbst-)formung auf: Stil und Stilisierung. Der Basso Continuo verweis…


billigbuch.ch sucht jetzt für Sie die besten Angebote ...

Loading...

Die aktuellen Verkaufspreise von 6 Onlineshops werden in Realtime abgefragt.

Sie können das gewünschte Produkt anschliessend direkt beim Anbieter Ihrer Wahl bestellen.


Feedback