Nerven und Krieg

Nerven und Krieg

Einband:
Fester Einband
EAN:
9783593512907
Untertitel:
Psychische Mobilisierungs- und Leidenserfahrungen in Deutschland (19001939)
Genre:
Neuzeit bis 1918
Herausgeber:
Campus
Anzahl Seiten:
428
Erscheinungsdatum:
22.07.2020
ISBN:
978-3-593-51290-7

In den deutschen Kriegsdebatten ging es seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts auch um die Frage, welche Belastungen ein zukünftiger Krieg den Nerven der Bevölkerung abverlangen würde. Im Ersten Weltkrieg etablierten sich dann Nervenstärke und Nervenschwäche als häufig benutzte Kampfbegriffe; hinzu kam nun die massenhafte Erfahrung von psychischen Versehrungen und deren Behandlung. Dieser Band lotet das Verhältnis von Nerven und Krieg in der Vor- und Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs erstmals systematisch aus. Er richtet den Blick sowohl auf die zeitgenössischen Nervendiskurse wie auch auf individuelle wie gesellschaftliche psychische Mobilisierungs- und Leidenserfahrungen.

»Solche Beobachtungen zeigen die Vielschichtigkeit des Themas Nerven und Krieg auf der vorliegende Band leistet einen wichtigen Beitrag zu seiner Erschließung.« Frank Becker, H-Soz-Kult, 16.04.2021

Autorentext
Gundula Gahlen ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Geschichte der Medizin an der Charité Berlin. Ralf Gnosa ist als Schriftsteller und Literaturwissenschaftler tätig. Oliver Janz ist Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin.

Zusammenfassung
»Solche Beobachtungen zeigen die Vielschichtigkeit des Themas 'Nerven und Krieg' auf - der vorliegende Band leistet einen wichtigen Beitrag zu seiner Erschließung.« Frank Becker, H-Soz-Kult, 16.04.2021

Leseprobe
Vorwort Der vorliegende Sammelband basiert auf der internationalen Tagung »Nerven und Krieg. Psychische Mobilisierungs und Leidenserfahrungen in Deutschland 19001933«, die vom 12. bis 13. Oktober 2017 an der Freien Universität Berlin von Gundula Gahlen, Björn Hofmeister, Christoph Nübel und Deniza Petrova konzipiert und organisiert wurde. Die Tagung wurde von der Fritz Thyssen Stiftung, der Middlebury School in Germany, der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Freien Universität Berlin finanziell gefördert. Wir bedanken uns sehr für die geleisteten Beihilfen. Daneben gilt unser Dank Bianca Weihrauch und Ali Temel (Freie Universität Berlin), welche den Organisatoren während der Tagung tatkräftig zur Seite standen, sowie Ildikó DietrichWoitge, die das Poster und die Flyer gestaltete. Auch bei der Fertigstellung des Sammelbandes haben wir vielfältige Hilfen erfahren, für die wir uns ganz herzlich bedanken möchten. Die Fritz Thyssen Stiftung gewährte eine großzügige Druckkostenbeihilfe. Brier Hylen Field, Claudia Guillemin, Madeleine LaRue und Lara Wankel (alle Freie Universität Berlin) unterstützten uns versiert beim Lektorat des Manuskripts. Die Zusammenarbeit mit Jürgen Hotz (Campus Verlag Frankfurt a.M.) gestaltete sich effizient, unkompliziert und äußerst angenehm. Unser größter Dank gilt unseren Autorinnen und Autoren, mit denen die Zusammenarbeit eine große Freude war. Berlin, im Frühjahr 2020 Gundula Gahlen Ralf Gnosa Oliver Janz Nerven und Krieg Einführung Gundula Gahlen, Ralf Gnosa, Oliver Janz Das Thema Nerven hatte in den deutschen Kriegsdebatten seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts einen zentralen Stellenwert. In Politik, Öffentlichkeit, Militär oder Wissenschaft wurde die Frage diskutiert, welche Belastungen ein zukünftiger Krieg den Nerven der deutschen Bevölkerung abverlangen würde. Im Ersten Weltkrieg wurden Nervenstärke und Nervenschwäche dann zu häufig benutzten Kampfbegriffen. Hinzu kam nun die massenhafte Erfahrung von psychischen Versehrungen und Leiden. Und auch nach dem Kriegsende blieb die sozialpolitische Verwaltung und medizinische Behandlung der psychischen Kriegsbeschädigungen ein brisantes Thema. Gleichzeitig erfolgte eine erneute geistige Kriegsmobilisierung in der Weimarer Republik. Im »Dritten Reich« wurden schließlich durch die »Gleichschaltung« des Staates zunehmend alle Bereiche des gesellschaftlichen Lebens in diese Entwicklung einbezogen. Trotz seiner hohen zeitgenössischen Präsenz und seines Stellenwerts ist die Erforschung dieses Themenfeldes die Ausnahme geblieben. Eine umfassende Analyse der zeitgenössischen kriegsbezogenen Nervendiskurse in Politik, Gesellschaft, Militär und Wissenschaft, die sowohl ihre Wechselwirkungen als auch ihre praktischen Konsequenzen untersucht, liegt bislang nicht vor. Die Forschung konzentriert sich bislang im Wesentlichen auf die Behandlung und Versorgung traumatisierter Kriegsversehrter. Der vorliegende Band, der auf der 2017 an der Freien Universität Berlin abgehaltenen Tagung »Nerven und Krieg. Psychische Mobilisierungs und Leidenserfahrungen von 1900 bis 1933« beruht, zielt darauf ab, dieses Desiderat zu verkleinern, indem er das Verhältnis von Nerven und Krieg in dieser erstmals systematisch auslotet und hierbei Kontinuitäten und Brüche aufzeigt. Die zentrale These des Bandes lautet, dass Nerven als Chiffre und Konstrukt zu verstehen sind, mit der Politik, Gesellschaft, Militär und Wissenschaft ihre Kriegsdeutungen und Kriegserfahrungen verhandelten. Wir definieren Nerven als Modus einer Selbstbeschreibung, mit der die angesprochenen sozialen Systeme ihr Verständnis vom und ihr Verhältnis zum Krieg bestimmten. Gemeinsamer Fluchtpunkt der Beiträge ist dabei, dass Nerven von den Zeitgenossen als zentrale Mobilisierungsressource für den Krieg betrachtet wurden. Dabei rücken die Beiträge insbesondere Wechselwirkungen zwischen Politik, Gesellschaft, Militär und Wissenschaft in den Blick. Mit Nerven verbundene Deutungen und Praktiken sprangen von einem sozialen System auf das andere über. So vermochten die popularisierten wissenschaftlichen Befunde über Nerven dem politischen oder militärischen Nervendiskurs eine besondere Glaubwürdigkeit zu verleihen, wie im Gegenzug die Nervendiskurse dieser Systeme auf die Wissenschaft zurückwirkten. Die besondere Evidenz und Deutungsmacht der Chiffre »Nerven« ergibt sich aus diesen Wechselwirkungen. Das Forschungsproblem »Nerven« ist eben nicht nur auf die Medizin zu beschränken, sondern gewinnt seine Aussagekraft erst, wenn es im breiten soziokulturellen Kontext der Epoche verortet wird. Das ist von der Forschung bislang nicht berücksichtigt worden, weil sie Nerven nur am Rande oder nur auf einzelne soziale Systeme bezogen in den Blick genommen hat. Bernd Ulrich hatte bereits 1992 darauf hingewiesen, dass dem Thema »Nerven und Krieg« methodisch nur in einer »Trias von wissenschafts, medizin und sozialgeschichtlichen Perspektiven« nachgegangen werden kann. Diese Forderung greift der Sammelband auf und erweitert sie zusätzlich um eine politische und eine kulturgeschichtliche Dimension. Methodisch orientiert er sich dabei an dem historiographischen Konzept des »totalen Krieges«, das die Rückwirkung des Ersten Weltkrieges nicht nur auf die militärische Front und den Frontsoldaten, sondern mit einer breiteren Perspektive auf alle Lebens und Erfahrungsbereiche der Bevölkerungen der kriegführenden Nationen in den Blick nimmt. Entsprechend thematisiert der Band sowohl die zeitgenössischen Nervendiskurse in Wissenschaft, Militär, Politik und Öffentlichkeit wie auch individuelle und kollektive psychische Mobilisierungs und Leidenserfahrungen. Einerseits wird die diskursive Verhandlung des Themas Nerven durch die medizinischen Spezialisten, die militärischen und politischen Entscheidungsträger, durch Filmemacher und Literaten in ihren Wechselwirkungen untersucht. Andererseits richtet sich der Blick auf die Praxis, indem die Mobilisierungs und Leidenserfahrungen an der Front und in der Heimat im Ersten Weltkrieg sowie die Nachwirkungen in der Zeit nach 1918 analysiert werden. Der räumliche Schwerpunkt des Bandes liegt auf Deutschland, das im europäischen Kontext analysiert wird. Zeitlich fokussiert er auf die Endphase des Deutschen Kaiserreichs und die Zwischenkriegszeit. Dieser breit gefasste Untersuchungszeitraum knüpft an das Konzept des »langen Ersten Weltkrieges« an, mit dem gezeigt wird, dass der Erste Weltkrieg ein Katalysator von Entwicklungen war, die bereits zuvor angelegt waren, und dass der Konflikt langfristige Folgen…


billigbuch.ch sucht jetzt für Sie die besten Angebote ...

Loading...

Die aktuellen Verkaufspreise von 6 Onlineshops werden in Realtime abgefragt.

Sie können das gewünschte Produkt anschliessend direkt beim Anbieter Ihrer Wahl bestellen.


Feedback